Wenn man die Diskussionen zur europäischen Schuldenkrise betrachtet, scheint es, als sei die einzige Frage die, wie man die Schlagkraft des EFSF weiter erhöhen könne. Es ist von Hebeln und Zweckgesellschaften die Rede und zuletzt wurden sogar die Sonderziehungsrechte und die Goldreserven der Nationalbanken ins Spiel gebracht. Besonders wenn es um das Geld anderer Leute geht, scheint der Kreativität der Lösungsvorschläge keine Grenzen gesetzt.
Bevor man sinnlos Steuergelder unterschiedlicher Länder einsetzt und den kläglichen und zum Scheitern verdammten Versuch unternimmt eine Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zu lösen, sollte man sich jedoch zuerst einmal die Zeit nehmen und fragen, wer der größte Profiteur der bisherigen Situation ist. Um es gleich vorwegzunehmen, die diesbezüglich in Talkshows immer gerne hervorgebrachte Reflexantwort „Deutschland“ halte ich in diesem Kontext für falsch.
Die beiden Hauptprofiteure waren zum einen die Geldgeber, welche mit Zinsen entlohnt wurden, und zum anderen die Geldempfänger, sprich die Schuldnerstaaten und deren Bevölkerung, denen es ermöglicht wurde, einen Lebensstandard zu genießen, welcher nicht selbst erarbeitet worden war. Genau diese beiden Akteure sollten nunmehr aber auch zur Verantwortung gezogen werden.
Die Investoren
Geldgeber haben in der Vergangenheit gerne in Griechenland oder anderen Staaten investiert, weil sie dafür höhere Zinsen als in Frankreich und Deutschland erhielten. Höhere Zinsen sind aber nicht gottgegeben sondern haben einen Grund: Ein höheres Risiko. Dieses Risiko hat sich nunmehr materialisiert und sollte auch von den Investoren getragen werden. Der Schuldenschnitt in Griechenland auf den sich die privaten Investoren „freiwillig“ geeinigt haben ist daher keine Geste der Großzügigkeit sondern schlichtweg die Folge des eigenen Handelns. Es ist schon fast frech zu nennen, wenn die Banken sich darüber auch noch beklagen. Ohne die Unterstützung der europäischen Steuerzahler wären sie nämlich mit einer Staatsinsolvenz konfrontiert, bei der sie, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil ihrer Investition zurückerstattet bekämen.
Die Schuldnerstaaten
Oberflächlich werden derzeit die verschuldeten Staaten und deren Bevölkerung zur Verantwortung gezogen. Man bedenke nur die staatliche verordneten Sparprogramme und die dadurch verursachten Massendemonstrationen in Griechenland und Italien. Es wird hierbei aber vergessen, dass es in den betroffenen Staaten noch immer gewaltige private Vermögen gibt, auf die zugegriffen werden sollte, bevor die Steuerzahler anderer Länder und die unvermögende Bevölkerung der eigenen Länder zur Begleichung der Staatsschulden herangezogen werden. Wenn es stimmt, dass EUR 200 Mrd. an Liquidität von Griechenland in die Schweiz abgeflossen sind, sehe ich keinen Grund dafür, deutsche Steuergelder im Rahmen eines EUR 100 Mrd. Hilfsprogramms für Griechenland einzusetzen. Die schlechte Steuermoral in Griechenland und die Tatsache, dass eine Vielzahl vermögender Griechen lieber in London oder Monaco leben als in Griechenland Steuern zu zahlen, verstärken dieses Argument nur weiter. Das Gleiche gilt für Italien, ein Land mit einer gewaltigen Schattenwirtschaft, in dem der bisherige Regierungschef gleichzeitig der reichste Einwohner ist. Die privaten Ersparnisse der Italiener würden ausreichen, um dem Staat aus der derzeitigen Notsituation zu befreien. Staaten, welche sich nicht mehr über die Kapitalmärkte finanzieren können, können immer noch auf die Vermögen ihrer Bürger zugreifen, sei es über Steuern, Zwangsanleihen oder Zwangshypotheken, bevor sie einen Staatsbankrott erklären oder auf die Steuergelder anderer Länder zugreifen müssten. Dies ist ja auch der Sinn der Non-Bailout-Klausel der Europäischen Verträge: Jeder ist für seine Schulden selbst verantwortlich.
Nur wenn sowohl die Geldgeber als auch die Geldnehmer mit der Konsequenz ihres Handelns konfrontiert werden, ist eine anreizkompatible Lösung zu erreichen. Banken, welche zu riskante Wetten eingegangen sind, werden vom Markt verschwinden. Wähler, welche Regierungen an die Macht brachten, welche ihre Wahlversprechen über Schulden finanzierten, werden mit der Konsequenz ihres Handelns direkt konfrontiert und müssen diese Schulden begleichen. Die jetzige Situation macht es sowohl den Geldgebern als auch den verschuldeten Staaten zu einfach, ihre Verluste mit den Steuergeldern anderer Länder zu minimieren und für die Konsequenzen ihres eigenen Versagens Brüssel oder die Geberländer verantwortlich zu machen.