Schlussverkauf bei den Grundrechten
Grundrechte sind immer billiger zu haben
Eigentlich ist es ja noch etwas hin bis zum Sommerschlussverkauf, aber wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass man teilweise schon vor dem offiziellen Start dieser Periode durchaus das eine oder andere Schnäppchen machen kann. So war es wohl auch letzte Woche im dünn besetzten Bundestag als die Regierungsparteien bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung innerhalb von 57 Sekunden und ohne große Plenardebatte verhökerten.
Besser erst gar nicht fragen…
Mit diesem Gesetz ist es Meldeämtern nunmehr möglich, die gesetzlich erhobenen Daten der Bürger ohne deren ausdrückliche Genehmigung an Adresshändler weiterzuverkaufen. Der im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Genehmigungsvorbehalt wurde gestrichen, Bürger müssen dem Handel mit ihren Daten nunmehr ausdrücklich widersprechen und nicht mal das schützt sie in allen Fällen. Dies wird sogar vom Bundesdatenschutzbeauftragten offen kritisiert.
Niemand will’s gewesen sein
Besonders irritierend finde ich die Aussagen bzw. die fehlenden Aussagen der am Gesetz beteiligten Parteien. Von der CDU hört man so gut wie gar nichts. Die CSU hat wie immer eine Doppelstrategie. Auf der einen Seite stellt sie sowohl den für dieses Gesetz verantwortlichen Innenminister und auch die Bundesverbraucherministerin, auf der anderen Seite ist da noch Horst Seehofer, der damit droht, diesen Gesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen und dabei von der Verbraucherschutzministerin auch noch unterstütz wird. Laut Focus verlangt sowohl Bayerns Ministerpräsident als auch Frau Aigner eine Änderung des Gesetzes:
Der CSU-Chef, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, sowie Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kündigten am Montag an, das verschärfte Meldegesetz zu stoppen. „Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen“, sagte Seehofer am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Aigner sagte mit Blick auf die Bundesratsberatungen über das Gesetz: „Bayern kann hier seine Stimme erheben – und dafür werde ich auch werben.“
Ein koordiniertes Regierungshandeln habe ich mir eigentlich anders vorgestellt.
Wo war und ist die FDP?
Während man bei der CSU ja schon gewohnt ist, dass sie sowohl für als auch gegen etwas ist und ich mich langsam aber sicher damit abgefunden habe, hat es die FDP wieder einmal geschafft mich negativ zu überraschen. Einerseits scheint die Bundesjustizministerin bei der Frage nach der Vorratsdatenspeicherung weder einen Konflikt mit den Koalitionspartnern noch mit Brüssel zu scheuen, anderseits hatte sie wohl nichts gegen das neue Meldegesetz einzuwenden. Wo ist die Bürgerrechtspartei FDP geblieben, warum hat sie für dieses Gesetz gestimmt?
Vielleicht wäre auch der Widerstand von Frau Leutheusser-Schnarrenberger gegen die Vorratsdatenspeicherung schneller gebrochen, wenn den Telekomunternehmen erlauben würde, die erhobenen Verbindungsdaten einfach an die werbetreibende Industrie zu verkaufen anstatt sie nur für die Sicherheitsbehörden zu speichern.
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