Neben dem Inhalt des neuen Meldegesetzes ist die Form, in der es verabschiedet wurde, ein weitere Kritikpunkt.
Expressdemokratie
Mit Erschrecken habe ich eine Fernsehaufzeichnung der Plenumssitzung gesehen, in der nicht einmal 30 Abgeordnete in unter einer Minute das Gesetz zweimal beraten und dann auch noch verabschiedet haben.
Laut Geschäftsordnung des Bundestages ist der Bundestag beschlussfähig, wenn die Hälfte seiner Mitglieder, d.h. mindestens 320 Abgeordnete, anwesend ist. Fraktionen oder 5% der Abgeordneten können beantragen, die Beschlussunfähigkeit des Bundestages festzustellen. So wie es aussieht, waren also nicht einmal genug Abgeordnete vorhanden um den Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit zu stellen.
Mir fehlt es diesbezüglich wohl an juristischem Wissen, aber kann das Bundestagspräsidium wirklich die Beschlussfähigkeit des Bundestages aufrecht erhalten, wenn noch nicht einmal genug Abgeordnete vorhanden sind, um einen Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit zu stellen?
Ich hätte mir gewünscht, dass das Präsidium bei einer offensichtlichen Beschlussunfähigkeit des Parlaments die Sitzung vertagt oder dass die Geschäftsordnung so geändert wird, dass nicht nur ein fingiertes Quorum vorausgesetzt wird.
Arbeiten oder doch lieber Fußball?
Als das Betreuungsgeld in der ersten Lesung an der Beschlussunfähigkeit des Parlaments scheiterte, wurde dies von der Regierungskoalition noch als mieser Trick hingestellt, aber daraus gelernt hat wohl keiner. Das nahe Wochenende oder das Halbfinale der Fußballeuropameisterschaft sind in den Augen der Wähler keine wirklich guten Gründe dem Plenum fernzubleiben. Die Abstimmung ist zwar nur ein kleiner Teil der parlamentarischen Arbeit aber wohl einer der Wichtigsten. 620 Abgeordnete werden gewählt und nicht einmal 30 stimmen ab? Wie soll man das dem Wähler erklären?
Wo waren die anderen?
Besonders übel finde ich die Heuchelei, mit der nunmehr gegen das beschlossene Gesetz gehetzt wird. Jeder macht sich zum Anwalt der Bürgerrechte, aber halt leider erst nach der Abstimmung.
Die Gesetzesgegner hätten einfach zur Abstimmung gehen müssen -was bei einem Halbfinale wohl unzumutbar erschien- oder als Alternative hätte eine einzige Fraktion einen Antrag auf Beschlussunfähigkeit des Bundestages stellen müssen. Aber im Normalfall arbeiten die Fraktionen ungern mit solchen „Geschäftsordungstricks“, da sie fürchten müssen, dass es ihnen mit gleicher Münze zurückgezahlt wird und am Ende jeder Abgeordnete bei Abstimmungen im Plenum sitzen müsste. Was für eine furchtbare Vorstellung.
Vom Arbeits- zum Abnickparlament.
Es ist zwar zu verstehen, dass bei Abstimmungen nicht immer alle Parlamentarier anwesend sein können (Krankheit, Dienstreisen etc.), aber dass Gesetzte nur von einer Handvoll Abgeordneter einfach abgenickt wird ist auch nicht hinnehmbar und schadet dem Demokratieverständnis.
Wo waren meine Abgeordneten?
Ich als Wähler wüsste gerne, ob und wie meine Abgeordneten in einer bestimmten Abstimmung votiert haben. Ich würde daher vorschlagen, immer eine namentliche Abstimmung vorzunehmen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Als Nebeneffekt könnte man an die Zahl der abgegebenen Stimmen auch dich Beschlussfähigkeit des Parlaments knüpfen. Man sollte auch nicht zögern, seinen Wahlkreisabgeordneten zu fragen, wo er denn eigentlich bei dieser Abstimmung gewesen ist.
One thought on “Die Oligarchie oder die Herrschaft der Wenigen.”
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