Leider hechle ich auch diesmal mit meinem Blogeintrag der aktuellen Berichterstattung um einige Monate hinterher. Aber da es sich bei dieser Thematik um etwas Grundsätzliches handelt, denke ich, dass man immer noch etwas dazu schreiben kann.
Um es kurz zu machen, ich bin generell dafür, dass Abgeordnete jeglicher Nebentätigkeit nachgehen dürfen, allerdings auch alle Einkünfte umfangreich offenlegen müssen.
Bei der Debatte über Peer Steinbrücks Nebentätigkeiten habe ich immer einen argumentativen Rahmen vermisst, anhand dessen eine Abwägung der einzelnen Argumente möglich gewesen wäre. Diesen möchte ich im Folgenden nachliefern:
Bei der Debatte um Nebeneinkünfte von Abgeordneten geht es eigentlich um vier Punkte:
- Soll es den Abgeordneten generelle erlaubt sein, einer Nebentätigkeit nachzugehen?
- Soll es Regeln geben, um welche Art der Tätigkeit es sich handeln darf?
- Soll es finanzielle und zeitliche Obergrenzen für diese Nebentätigkeit geben?
- Welche Anforderung soll an die Offenlegungspflichten gestellt werden?
Soll eine Nebentätigkeit erlaubt sein?
Da ich eigentlich immer noch dem Ideal vom Parlament als Spiegel der Gesellschaft anhänge, bin ich generell dafür, dass Parlamentariern Nebentätigkeiten erlaubt sein sollten. Ansonsten endet man zwangsläufig mit einer Kaste von Berufspolitikern, die in noch größerem Ausmaß als bisher vom Wohlwollen ihrer Partei und nicht vom Votum der Wähler abhängig sind. Ich denke daher, dass die gängige Rechtslage, welche die Nebentätigkeit der Abgeordneten erlaubt, durchaus zu rechtfertigen ist.
Welche Nebentätigkeiten sollten erlaubt sein?
Hierbei bin ich sogar noch etwas pragmatischer als die bisherige Gesetzeslage. Ich denke, dass eigentlich jede erlaubte Tätigkeit auch einem Parlamentarier als Nebentätigkeit zugänglich sein sollte. Allerdings sollte dies nur der Fall sein, wenn verschärfte Transparenzregeln, wie ich sie weiter unten diskutiere, Anwendung finden und wenn die Abgeordnetentätigkeit nicht durch die Nebentätigkeit eingeschränkt wird. Der Abgeordnete muss beispielsweise weiterhin über seine Arbeitszeit und deren Aufteilung frei verfügen dürfen.
Sollte es finanzielle oder zeitliche Obergrenzen geben?
Wenn gewisse Rahmenbedingungen eingehalten werden, sollte es keinerlei Grenzen geben, wieviel ein Abgeordneter mit einer Nebentätigkeit verdient und welchen Zeitaufwand er für seine Nebentätigkeit betreibt.
Diejenigen, die eine zeitliche Obergrenze fordern, sollten bedenken, dass die Abgeordnete Angela Merkel nebenbei auch noch Bundeskanzlerin ist und ich kann mir derzeit kaum einen Job vorstellen, der mehr Energie und Zeiteinsatz erfordert. Ebenso sind die meisten Minister und die parlamentarischen Staatssekretäre im Hauptberuf Abgeordnete und keiner hat bisher etwas dagegen gehabt (auch wenn dies strenggenommen auch noch dem Grundsatz der Gewaltenteilung widerspricht). Eine weitere Nebentätigkeit ist diesen Abgeordneten aber dann beispielsweise durch das Ministergesetz zu Recht untersagt.
Ich bin auch ein Gegner einer finanziellen Obergrenze für Nebentätigkeiten, was viele erschrechen mag, spreche mich aber zugleich für ein vollständiges Anrechnungssystem aus. Jeder Euro, den ein Abgeordneter durch eine Nebentätigkeit erhält, soll auf das Abgeordnetengehalt angerechnet werden.
Wie hoch das Abgeordnetengehalt sein soll, will ich hier nicht detailliert diskutieren (siehe hierzu die Diskussion beim Wirtschaftsphilosoph). Ich denke aber, dass Sonderregelungen wie bei der Rente und den Übergangsgeldern abgeschafft werden sollten. Ein Abgeordneter sollte wie ein Arbeitnehmer in die Sozialversicherungen einzahlen und dieselben Ansprüche erwerben.
Wie soll die Offenlegungspflicht ausgestaltet sein?
Mit dieser Frage schließt sich der Kreis. Ein Abgeordneter sollte nur dann die Möglichkeit haben, Nebentätigkeiten nachzugehen, wenn er alle Einkünfte vollständig offenlegt (siehe hierzu auch den Blog bei Abgeordnetenwatch.de). Hierbei sollte es keinerlei Ausnahmen, wie derzeit z.B. für Rechtsanwälte, geben. Die Höhe sämtliche Einkünfte (inklusive Funktionsbezüge), die Auftragsgeber und auch der Zeitaufwand für die Nebentätigkeit muss erfasst und veröffentlich werden. Verstöße gegen diese Offenlegungspflicht müssten hart verfolgt werden. Die meisten Argumente gegen eine vollständige Transparenz sind nur vorgeschoben und bei einer genaueren Betrachtung sollte das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit überwiegen. Es ist ja fast schon peinlich, dass die Regierungskoaliton erst auf Peer Steinbrück einschlägt, aber dann zurückrudert, wenn dieser vollständige Transparenz fordert:
Die Grenze des Populismus wurde vor allem von den drei Generalsekretären von CDU, CSU und FDP deutlich überschritten. Denn als nur kurze Zeit später alle Oppositionsparteien Vorschläge unterbreiteten, alle Einkünfte in Zukunft völlig transparent offenzulegen, gab es erst mal einen Rückzieher. Was von Steinbrück eingefordert wurde, sollte doch bitte nicht für alle Abgeordneten gelten. Dass zu den 20 Großverdienern bei den Nebeneinkünften 18 aus den Reihen der Koalition stammen, ist sicherlich ein Grund für ihre plötzliche Zurückhaltung (Quelle: der Freitag)
Schlussfolgerung
Da ich ein Parlament vorziehe, welches nicht aus einer Kaste gleichgeschalteter Berufspolitiker besteht, bin ich der Meinung, dass man Abgeordneten Nebentätigkeiten ohne Einschränkungen erlauben sollte. Dies sollte aber nur dann der Fall sein, wenn gleichzeitig eine vollständige Anrechnung der Einkünfte und eine umfassende Transparenz Einzug hält.
Letztendlich sollte der Wähler vollständig darüber informiert werden und auch darüber entscheiden, wer für ihn im Parlament sitzt. Abgeordnete, die nicht die Interessen ihrer Wähler vertreten, sollten von den Wählern zur Verantwortung gezogen werden. Vor diesem Hintergrund ist auch das (alte und neue) Wahlrecht zu hinterfragen, das es Parteien derzeit immer noch ermöglicht, Abgeordnete über die Liste am Wählerwillen vorbei ins Parlament zu schleusen.