In der deutschen Bloggerszene wurde der Vorschlag gemacht, die Blogger einzuladen, zu einem einheitlichen Thema einen Beitrag zu schreiben. Zum Start wurde die Frage “Ist der Finanzsektor zu groß” in den Ring geworfen. Da ich jetzt einer der Letzen bin, der zu diesem Thema etwas schreibt, habe ich natürlich den Vorteil, dass ich schon auf den Ideen der anderen Bloggs aufbauen kann, ich sehe mich aber auch mit dem Nachteil konfrontiert, dass einige Ideen schon von anderen Bloggern aufgeworfen und besser beantwortet worden sind, als ich das je könnte. Jetzt aber zum Thema:
Man könnte die Frage schnell und dem Zeitgeist entsprechend mit ja beantworten, aber das würde nicht nur einen kurzen Artikel ergeben, sondern wäre auch die falsche Herangehensweise. Bevor man sich also an die Beantwortung der Frage macht, sollte man sie zuerst einmal eingrenzen und genauer definieren. Dies soll im Folgenden geschehen:
- Was ist der Finanzsektor? Ich denke, dass man zunächst den Banksektor betrachten sollte. Versicherungen, Schattenbanken und anderer Spieler gehören zwar auch zum Finanzsektor, allerdings würde deren Betrachtung über die Grenzen dieses Artikels hinausgehen.
- Welcher Finanzsektor ist gemeint? Man könnte die Frage global, auf Europa oder auf Deuschland bezogen betrachten. Aufgrund der Vernetzung des Finanzsektors ist es auch gar nicht so einfach hier Grenzen zu ziehen und in einem zukünftigen Artikel wäre es sicherlich gut diese Vernetzung genauer zu hinterfragen. Der Einfachkeit halber möchte ich zunächst allerdings nur Deutschland behandeln.
- Zu groß in welcher Relation? Welcher Wert in Bezug zu welcher Beziehungsgröße gesetzt wird, ist wohl der Kern dieser Frage. Und daher soll sich der folgende Teil des Artikels dieser Diskussion widmen.
Was soll der Finanzsektor eigentlich leisten?
Ich denke, die Größenfrage kann nicht unabhängig von der Aufgabenfrage beantwortet werden. Wenn man der Meinung ist, dass Banken, wie wir sie kennen, alle denkbaren Geschäfte machen können und dürfen, wird die Frage obsolet. Es gäbe in diesem Kontext keinen Grund, weshalb der Finanzsektor zu groß sein könnte. Er wäre ein Sektor wie jeder andere.
Ich hoffe daher, dass man sich darauf einigen kann, dass Banken innerhalb einer Volkswirtschaft eine Sonderstellung einnehmen, die anderen Sektoren nicht zukommt. Banken haben Aufgaben, die für das Funktionieren der übrigen Wirtschaft eine Grundvoraussetzung sind. Hierzu zählt insbesondere die Kreditvergabe.
Andere Aufgaben mögen zwar auch volkswirtschaftlich nützlich sein, sind aber für das Funktionieren der Wirtschaft nicht essentiell.
Ich bin der Meinung, dass eine Volkswirtschaft davon profitiert, wenn sie über Vielzahl unterschiedlicher Wirtschaftssektoren verfügt und denke hierbei an die klassische Portfoliotheorie. Probleme in einem Sektor können durch die Überperformance in einem anderen Sektor abgefangen werden. Bei den Banken verhält es sich leider nicht so. Wenn die Banken Probleme haben, sind alle Wirtschaftssektoren davon betroffen. Die Probleme der Banken können nämlich zu einem reduzierten Kreditvolumen führen und dies unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des potentiellen Kreditnehmers. Im worst case könnten daher sogar gesunde Unternehmen keine Kredite mehr erhalten, weil die Banken Bilanzprobleme haben.
Horizontale Diversifizierung zur Risikominimierung
Um die Kreditversorgung der Wirtschaft sicherzustellen, ist dafür zu sorgen, dass der Kreditvergabesektor horizontal weit differenziert ist und es zu keiner Oligopolbildung kommt. Bei falschen Kreditvergabeentscheidungen soll ein Institut aus dem Markt aussscheiden können, ohne eine spürbare Auswirkung auf die volkswirtschaftliche Kreditvergabe zu haben. Systematische Fehlentscheidungen bei der Kreditvergabe, die den ganzen Sektor ins Kippen bringen, Stichwort spanische Banken und Immobilienfinanzierung, hat eine staatliche Aufsicht zu unterbinden. In Deutschland stehen wir mit dem Dreisäulenmodell der Sparkassen, Genossenschaftliche Banken und Privatbanken bezüglich der Diversifikation noch ganz gut da, allerdings ist eine fortschreitende Konsolidierung nicht zu übersehen.
Vertikale Separation zur Risikominimierung
Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass das Kreditgeschäft der Banken aufgrund falscher geschäftspolitischer Entscheidungen in kreditfernen Bereichen, wie z.B. im Eigenhandel, nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Es sollte den Banken nicht ermöglicht werden, die Einlagen ihrer Kunden in Geiselhaft zu nehmen und aufgrund ihrer Macht auf den Kreditmärkten von der Politik Zugeständnisse zu erpressen. Die Kreditvergabe soll von den anderen riskanteren, aber für die Wirtschaft nicht essentiellen Bereichen, zumindest virtuell getrennt werden. Ein Übergreifen von Problemen in kreditfernen Bereichen auf die Kreditvergabe innerhalb derselben Bank muss unterbunden werden.
Dies ist leider jetzt der Fall. Was die Banken mit dem Geld ihrer Aktionäre machen und ob sie das Geld ihrer Gläubiger verspielen, ist mir eigentlich egal. Wenn dies aber dazu führt, dass hohe Risiken zu Lasten der allgemeinen Kreditversorgung, aber zum Nutzen der Bankaktionäre und der leitenden Angestellten eingegangen werden, ist dies nicht unbedingt zu befürworten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Fragestellung, ob es wirklich nützlich ist, die Einlagen aller Kunden staatlich abzusichern. Es wäre meines Erachtens nützlicher, entweder gar keine Einlagesicherung (die reine Lehre) oder nur eine geringe Einlagesicherung, z.B. 10.000 Euro pro Kunde, zu garantieren. Nur so kann man Kunden dazu bewegen, die Banken und deren Geschäftspolitik kritisch zu hinterfragen, bevor sie ihre Gelder dort anlegen. Wenn der Kunde die Möglichkeit hat, seine Gelder risikolos an Banken zu geben, die beispielsweise umfangreiche und riskante Eigengeschäfte betreiben, entfällt dieses Marktkorrektiv. Auch hier sollte man Handlung und Verantwortung nicht generell durch eine allgemeine Einlagensicherung auseinanderdividieren können.
Die Antwort
Langer Rede kurzer Sinn: Der Finanzsektor ist dann zu groß, wenn einzelne Unternehmen den Kreditmarkt dominieren oder wenn große Mitspieler durch eine riskante Geschäftspolitik, die nichts mit der Kreditvergabe zu tun hat, das Kreditgeschäft beeinträchtigen können.
Meiner Meinung nach, sollte daher eine starke Marktanteilskontrolle der Banken beibehalten und der Kreditvergabebereich stark reguliert werden. Daneben sollte das Kredit- und Einlagengeschäft von den anderen Geschäftsbereichen getrennt werden. Ob dies mit einem Trennbankensystem oder mit hohen Eigenkapitalunterlegungen geregelt wird, beibt weiterhin Gegenstand der Diskussion.
Derzeit ist die horizontale Diversifikation im deutschen Kreditbereich vor allem durch die drei Finanzierungssäulen Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Banken noch gewährleistet. Die vertikale Isolierung der Risiken ist allerdings vor allem bei den Privatbanken und bei den Landesbanken noch stark verbesserungswürdig.
Ihre eingangs aufgeworfenen Fragen finde ich äußerst gut und hilfreich um die übergeordnete Fragestellung zu präzisieren.
Argumente und Fazit scheinen mir einleuchtend. Nur der Zusammenhang zu der Frage erschließt sich mir nicht. Denn die innere Organisation eines Sektors hat ja nichts (zumindest nicht zwangsläufig) mit seiner Größe zu tun.