Als ich den Gastbeitrag von Joschka Fischer in der SZ las, musste ich erst einmal kurz innehalten und Luft holen. Nachdem das Nabucco-Projekt dem ehemalige Bundesaußenminister; Vizekanzler und Pipeline-Berater anscheinend nunmehr wieder etwas mehr Zeit lässt, konnte Joschka Fischer, die derzeitige Situation der Eurozone einer genaueren Analyse unterziehen.
Zusammen mit dem Briten und den Banken für die Fiskalunion
Als Einstieg in die Analyse stimmt er David Camerons Forderung nach einer Fiskalunion der Euro-Gruppe zu, was ich schon einmal bemerkenswert halte, da das Vereinigte Königreich ja nicht Mitglied dieser Euro-Gruppe ist und schon jetzt eher im Atlantik versinken, als auch nur irgendwelche Hoheitsrechte und schon gar nicht Teile des Haushaltsrechts auf den Kontinent verlagern würde. Als herausragender Bankenstandort profitiert es vom derzeitigen Euromarkt jedoch überproportional.
In einem zweiten Schritt bezeichnet er die Deutschen als Feuerwehr und bezichtigt Deutschland, das in Flammen stehende europäische Haus mit Kerosin statt mit Wasser löschen zu wollen. Seiner Meinung nach würde das dogmatische Festhalten an der derzeitigen Sparpolitik eine Krise auslösen, wie sie die derzeit lebenden Generationen noch nicht erlebt hätten.
Ich will hier gar nicht Fischers Analyse diskreditieren und ich muss hinzufügen, dass ich einige Teilaspekte seiner Analyse durchaus teile, was mir in dem Gastartikel allerdings vollständig fehlt ist Differenzierung und Selbstreflektion.
Europa ist mehr als der Euro
Zum einen wird die Eurozone und Europa ganz gerne in einen Topf geworfen, weil sich damit leichter eine Brücke zwischen der Währungsunion und Weltpolitik schlagen lässt. Forderungen an Großbritannien (politische Union, Fiskalunion etc.) bleiben außen vor. Es wird alleine auf Deutschlands und auch auf Frankreichs gesamteuropäische Verantwortung verwiesen. Das europäische Haus besteht jedoch aus mehr als dem Euro-Stockwerk.
Wo bleibt die Demokratie?
Joschka Fischer hat auch ganz klare Vorstellungen, was Deutschland leisten muss, nämlich nicht weniger als das wirtschaftliche Überleben der Eurozone. Zur zukünftigen Gestaltung der politischen Union äußert er sich allerdings kaum. Interessant wäre es doch zu wissen, ob er der Meinung ist, ob die Sitzverteilung innerhalb der EZB und der Kommission dem demokratischen Proporz folgen oder weiterhin Spielball einzelner Länderinteressen sein sollte.
Vom Brandstifter zum Brandschutzbeauftragten
Zum anderen bin ich fast schon entsetzt, dass im gesamten Text kein einziger Hinweis auf das eigene politische Handeln in der Vergangenheit gegeben wird. Joschka Fischer geriert sich als weiser, über den Dingen stehender “Elder Statesman”, der nichts mit der derzeitigen Lage zu tun hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Man kann behaupten, dass das europäische Haus oder zumindest das Euro-Stockwerk bereits aus leicht entflammbarem Material gebaut worden war, aber es waren zumindest Brandschutztüren und Feuermelder eingebaut worden.
Leider wurde zu einer Zeit als Joschka Fischer am Kabinettstisch saß, die Brandschutztüren geöffnet und die Brandschutzmelder wurden demontiert:
- Griechenland wurde in die Eurozone aufgenommen und
- der Vertrag von Maastricht wurde zusammen mit Frankreich de facto außer Kraft gesetzt.
Sicherlich, es wurden auch nach Fischers aktiver Zeit viele Fehler gemacht, aber ohne das Handeln der damaligen Rot-Grünen Regierung wäre die Bekämpfung des derzeitigen Feuers viel früher und mit weniger Aufwand möglich gewesen. Den derzeitigen Feuersturm muss er zum Teil schon auch sich selbst zuschreiben. Dies vollständig zu ignorieren und mit den Streichhölzern in der Hand die Feuerwehr zu kritisieren zeugt entweder von einer besonderen Chuzpe oder gar Realitätsferne.